Bikepacking-Abenteuer durch Europa
EuroVelo – 10’717 km in 118 Tagen von Gibraltar ans Nordkap
Vom 02. April bis 28. Juli 2024
Unsere Bikepacking-Tour begann am südlichsten Punkt Europas, in Gibraltar und führte uns durch ganz Europa bis zum nördlichsten Punkt des Kontinents – dem Nordkap. Auf dem Velo entdeckten wir die Vielfalt Europas – von Spanien über Frankreich, die Schweiz und Deutschland bis nach Dänemark und Skandinavien.
Spanien: Entlang der Mittelmeerküste
Am 1. April flogen wir nach Malaga und fuhren mit dem Mietwagen nach La Linea de la Concepción. Im Hotelzimmer bauten wir unsere Gravelbikes zusammen und am nächsten Morgen starteten wir voller Vorfreude unsere Reise. Über das Flugfeld von Gibraltar sausten wir zum Leuchtturm am südlichsten Punkt Gibraltars, wo das Mittelmeer auf den Atlantik trifft.
Die ersten Kilometer auf der Mittelmeer-Route, dem EuroVelo 8, führten uns über stark befahrene Strassen, bis wir plötzlich auf der Autobahn landeten. Das Hupkonzert der Autofahrer machte uns schnell klar, dass wir hier falsch waren – also nichts wie runter! Von da an trainierten wir unsere Fahrkünste auf dem schmalen und scherbenübersäten Streifen hinter der Leitplanke. Als wir Marbella und Malaga hinter uns liessen, wurde die Route ruhiger und verkehrsarmer. In der Vorsaison waren die Promenaden meist menschenleer – ein Genuss! Mit Blick aufs Meer, dem Rauschen der Wellen und sogar Steinböcken, die auf den Felsen am Meer kletterten, fuhren wir der Küste entlang Richtung Norden.
Ein besonders schöner Abschnitt war die „Via Verdes“, eine stillgelegte Eisenbahnstrecke mit vielen Tunneln und sanftem Gefälle – pura vida! Auch die Füdliknochen machten gut mit, sodass wir unbeschwert im Sattel sassen. Wir gingen es auch locker an mit etwa 73 km pro Tag. Weniger entspannt waren die Fahrten durch die Grossstädte wie Barcelona, dafür hatten wir etwas Sightseeing inklusive. Nach drei Wochen und 1’700 Kilometern, viel Sonne und am Ende kräftigem Gegenwind im Gepäck, erreichten wir die Grenze zu Frankreich.
Frankreich: Regen, Croissants und Flamingos
Nach den sonnigen Wochen in Spanien empfing uns Frankreich mit Kälte und Regen – eine ungewohnte Umstellung. Kulinarische Highlights wie Käse, Croissants und frisches Baguette sowie gesichtete Flamingos entschädigten für das Wetter. Endlich führte uns der Weg auf gut markierten Velowegen entlang dem EuroVelo 8, der Rhone-Route. Noch fast alleine unterwegs, begegneten uns plötzlich auffallend viele Radreisende mit dem Ziel Mittelmeer und schwer beladen – die klassischen „Saggöscheler“.
Zehn Tage und 950 Kilometer später verabschiedeten wir uns von Frankreich, mit noch immer schlechtem Wetter im Gepäck.
Schweiz: Trail Magic und Heimatgefühl
In der Schweiz folgten wir 300 Kilometer dem Jura-Südfussweg Nr. 50. Die Strecke führte uns durch Neuchâtel, wo wir Freunde vom Te Araroa trafen, die uns herzlich empfingen und für uns kochten – ein Moment voller Trail Magic. Nach einem weiteren Zero Day bei unseren Familien konnten wir Ausrüstung tauschen: Ersatz für eine defekte Tasche und Schutzbleche, die uns in den kommenden Etappen gute Dienste leisten werden. Auch gönnten wir uns ein neues Luxus-Item, eine kleine Luftmatratzenpumpe.
Nach einer kurzen, aber intensiven Zeit in der Schweiz und einem herzlichen Abschied von Familie und Freunden setzten wir in Basel unsere Reise nach Deutschland fort.
Deutschland: Volle Fahrt voraus
Durch Deutschland ging es flott voran, zunächst auf dem populären EV 15, dem Rheinradweg, bis wir nach Duisburg auf die Pilgerroute des EV 3 wechselten. Die gut ausgebauten, flachen Velowege und zahlreichen Bäckereien mit leckerem Gebäck liessen uns unbeschwert 100 km pro Tag zurücklegen. Wir bewunderten die schönen Backsteinhäuser in den charmanten Dörfern Norddeutschlands und erreichten nach 15 Tagen und 1500 Kilometer die Grenze zu Dänemark.
Dänemark: Im Shelter-Glück
Vier Tage ging es durchs Inland, vorbei an gepflegten Gärten, schönen Häusern und durch die doch hügelige Landschaft. Wir übernachteten in kleinen Holzunterständen, die mitten in der Natur und manchmal sogar in Dörfern zu finden sind; etwa 3000 solcher Shelter gibt es in Dänemark. Was es ebenfalls reichlich gibt, sind Zecken: Kaum läuft man durchs Gras, muss man mehrere Zecken von den Beinen spicken – was für ein Stress! Dafür wuchs das erste Gefühl der Freiheit, da wir keine Zeltplätze mehr brauchten. Nach 450 Kilometer setzten wir von Frederikshavn per Fähre nach Göteborg über.
Schweden: Trail Magic und Mückenalarm
Mittlerweile ist der 28. Mai und mit Göteborg beginnt unser Abenteuer in Skandinavien. Unser Ziel: das Nordkap über die EV 7 Sonnenroute, um dann die Küste Norwegens hinunter nach Bergen und Oslo zu fahren. Da wir gut im Zeitplan liegen, entschlossen wir uns für diese längere Route.
Schon kurz nach dem Start erlebten wir eine grosse Portion Trail Magic: Ohne Schlafplatz in Sicht und nach vielen erfolglosen Versuchen fanden wir auf einem inoffiziellen Zeltplatz nur für Mitglieder freundliche Aufnahme. Sie brachten uns Stühle, Tische, Trinkwasser und reaktivierten sogar die Dusche am See. Alle halfen mit, das Seewasser über einen Schlauch in den Tank zu pumpen, sodass Highlights nach sieben Tagen endlich wieder ihre Haare waschen konnte – was für eine Wohltat. Die unerwartete Grosszügigkeit dieser Menschen war wahre Magie und wir werden dieses Erlebnis dankbar in Erinnerung behalten.
Die Nebenstrassen in Schweden sind meist gravelig, was wir richtig cool fanden. Wir genossen die verkehrsarmen Wege durch die endlosen Wälder, entlang der vielen Seen und hügeligem Gelände. Mit den rasanten Downhills wurde es uns sowieso nie langweilig. In Luleå ist der letzten Bikeshop für 1’000 Kilometer und das Timing hätte nicht besser sein können. Prompt riss 50 km später Lavenders Schaltkabel und wir mussten mit dem Bus zurück, um es reparieren zu lassen. Ab jetzt waren wir vorbereitet und hatten gleich zwei Ersatzkabel dabei. Wenige Wochen später war auch Highlights Kabel gerissen, aber dieses Mal konnte Lavender es ohne Probleme selbst reparieren.
Je weiter wir in den Norden kamen, desto wichtiger wurde die Planung unserer Einkäufe, da die Ortschaften immer weiter auseinanderlagen und weniger Läden verfügbar waren. Schliesslich entdeckten uns auch die Mücken – ein echter Wendepunkt, denn nun begleiteten sie uns überall. Das Wetter war ebenso wechselhaft: grau und regnerisch, und die Landschaft wurde zunehmend eintönig. Doch es gab auch Highlights: In Schweden sahen wir unsere ersten Elche und Rentiere! Nach anderthalb Tagen durch Finnland erreichten wir schliesslich Norwegen.
Norwegen: Wilde Schönheit zum Nordkap
Das Nordkap ist in greifbarer Nähe. Die letzten 400 Kilometer führten uns über vier Tage durch eine zunehmend karge und raue Landschaft, in der mehr Rentiere als Menschen unterwegs waren. Mit jedem Kilometer wurde die Natur wilder und ungezähmter. Am letzten Tag erwartete uns der berüchtigte Nordkap-Tunnel – ein Durchgang, den man nicht wiederholen muss, aber der eben dazugehört. Das Ziel sollte verdient sein, also kämpften wir uns bei starkem Gegenwind und Regen voran, was zur echten Herausforderung wurde. Plötzlich drückte eine Böe Highlights in die Leitplanke. 50 Meter vor dem Eingang fegte der Wind sie von der Strasse, weil sie unbedingt einhändig mit der GoPro die letzten Meter festhalten wollte.
Und da waren wir. Kaum zu glauben. Am 24. Juni standen wir voller Freude am Nordkap: ein Meilenstein unserer Reise. 84 Tage und 7’500 Kilometer voller Eindrücke.
Doch der peitschende Wind holte uns schnell in die Realität zurück und machte uns klar, dass es Zeit war, den Rückweg anzutreten.
Norwegen: Abwechslungsreiche Landschaft und Adrenalin-Erlebnisse
Um nicht ein zweites Mal in den Genuss vom Nordkap-Tunnel zu kommen, gönnten wir uns eine zehnstündige Fahrt mit der Hurtigruten von Honningsvåg nach Oksfjord. Von nun an folgten wir dem EV 1 auf der Atlantikküstenroute weitere 2’600 Kilometer Richtung Bergen.
Ab jetzt sollte es doch eigentlich nur noch bergab gehen – schliesslich fahren wir in den Süden ;). Einmal bei einem Downhill lieferte Lavender tatsächlich ein 100-Meter-Rennen gegen ein Rentier (oder Renntier), kein Witz! Und bei einer Abfahrt erreichten wir eine Spitzengeschwindigkeit von 79 km/h – echte Adrenalin-Erlebnisse.
Die Landschaft Norwegens ist einmalig, besonders auf Senja und den Lofoten – türkisblaues Wasser und weisse Sandstrände, natürlich durfte ein Schwumm im Polarmeer nicht fehlen! Überall ragen beeindruckende Berge direkt aus dem Meer. Es ging oft rauf und runter und so kamen einige Höhenmeter zusammen, die unsere inzwischen durchtrainierten Beine problemlos meisterten.
Der Genuss der Landschaft wurde allerdings durch den Ansturm von Campern und Touristen getrübt, da wir die Strassen mit ihnen teilen mussten – eine Herausforderung, die viel Aufmerksamkeit forderte.
Zahlreiche Fähren bringen einem von Insel zu Insel. Der Vorteil für uns Velofahrern versus Autofahrern: Die Fähren sind gratis und wir müssen nicht in der Kolonne anstehen, sondern dürfen immer als Erste rauf. Umso ärgerlicher war es, wenn wir jeweils knapp die Fähren verpassten – die Norweger sind nämlich auf die Sekunde pünktlich. So fanden wir uns einmal zu viert in einem winzigen, aber beheizten WC-Häuschen wieder und warteten bei gruseligem Wetter auf die nächste Überfahrt.
Die Strecke mit vielen Brücken und Tunnel blieb abwechslungsreich, bis wir schliesslich Bergen erreichten. Die letzte Etappe von 515 Kilometern nach Oslo führte uns über den berühmten Rallarvegen, eine historische Route durch alpine Höhen – ein grandioser Abschluss unserer Tour.
Fazit:
Unser Bikepacking-Abenteuer durch Europa war eine tolle Reise durch verschiedenste Landschaften und Kulturen. Die Wärme Spaniens und die Einsamkeit des hohen Nordens haben uns besonders beeindruckt. Auch wenn Wildcampen schwierig war, fanden wir ab Dänemark wieder mehr Freiheit in der Natur.
Dank der langsamen Reiseart konnten wir die schöne und abwechslungsreiche Natur geniessen. Die Erlebnisse und Begegnungen machen die Reise unvergesslich. Wir sind dankbar, dass uns nichts passiert ist und wir so viele Kilometer aus eigener Kraft gemeistert haben – ganz ohne Motor.
Für die Gear-Junkies:
Canyon Grizl CF SL8. Highlights mit 1×12 und Lavender mit Ekar 1×13. Aerobars sind absolut Gold wert. Aerodynamisch aber auch gut um Hände zu entlasten. Bikefitting bei Veloplus ist sehr zu empfehlen. Wir hatten keinerlei Beschwerden. Unsere Taschen sind von Cyclite. Und wenn mal was kaputt ging, wurde es sofort ersetzt. Der Service ist einsame Spitze. Natürlich Zelt und je ein Kocher dabei. Kocher ist von Vesuv und das Copper Spur von Big Agnes.
Das Gewicht unserer Velos inkl. Taschen (ohne Essen und Wasser) war zwischen 18-19 kg.